im Hinblick auf dieses Zitat ist es als Zivilisationskritiker egal was du tust und welchem Fetisch du frönst, als Zivilist liegst du immer "falsch", denn weder ist es möglich deine menschliche Natur zu leben, noch hast du bzw. wir alle überhaupt eine Ahnung was das denn bedeuten würde.
Diese Einsicht scheint mir selbst in zivilisationskritischen Kreisen eine Seltenheit zu sein. Es wird über die Schlechtigkeit der Welt debattiert, als ob man persönlich gar nicht dazugehören würde bzw. selber "besser" sei als die Zivilisation der man angehört.
Doch egal ob du Hedonist oder Vegetarier, Hippie, Punk oder Banker, Arbeitsloser oder Workaholic bist, als Zivilist richtest du zwangsläufig mehr Schaden an als du Nutzen bringst - durch die Ressourcen, die du nachhaltigkeitslos verbrauchst, besonders aber mit dem mentalen Kropf, der sich durch die zivilisatorische Konditionierung gebildet hat und dich glauben lässt, du seist was du denkst zu sein. Und erst noch: was du denkst sei richtig.
Wer den Irrtum entdeckt und erkennt, dass er ein Zivilisationsidiot ist, der sucht sich aber im Normalfall notgedrungen so schnell wie möglich eine Nische, in der er weiter träumen kann. Er dekompensiert sein Unbehagen gegenüber sich selbst und zieht sich ein schönes Mäntelchen an (von dem er sich selbst glauben macht, es sei Inhalt und nicht bloss Form). Doch egal ob er sich der Spiritualität, der Gesundheit oder der Moral widmet, er bleibt "falsch", denn er ist ein Zivilist und versteht nichts vom Leben, weil er seine Natur nicht fühlt (und sie deshalb aus Dummheit und Unachtsamkeit zerstört).
Jeder von uns ist meilenweit von Wahrheit (Natur) entfernt, die graduellen Unterschiede sind zu klein um erwähnenswert zu sein. Der Charakter jedes Zivilisten ist verdorben, auch wenn er meditiert, demonstriert, zur Kirche geht oder in einer Hippiekommune lebt. Das Zentrum seiner Gedanken und seiner Existenz bildet seine eigene Persönlichkeit (Persona=Maske), die aus seinem zivilisationsverschmutzten Geist entstanden ist und der Urgrund des "Falschen" ist. Mit dieser falschen Identifikation rennen wir grenzenlos (im Rahmen, der uns die Natur erlaubt) und sinnfrei durch die Welt und sorgen dadurch zwangsläufig dafür, dass mehr und mehr Leid entsteht.
Natürlich generiert ein Banker oder Spekulant mehr Leid als ein kleiner Biobauer oder ein Mönch, aber das, was all dem entstandenen Zuviel an Leid zugrunde liegt - die Identifikation mit dem "Falschen", der Persona mit ihrem riesigen und irrwitzigen Gedankenoutput - betrifft uns alle.
> Siddhartha Gautama lebte, so wird überliefert, Jahre lang als Asket,
> bevor er den mittleren Weg favorisierte. Denn auch völlige Entsagung ist
> demnach eine falsche Konzentration (Anhanften, vgl. mit einer fixen Idee).
Die falsche Konzentration, das Anhaften, die Entsagung sind alles Varianten der Identifikation mit der eigenen Persönlichkeit. Egal was du für dich tust, du tust es für jemand, der nur im Geiste existiert und das ist das Problem, das uns das ganze Knuddelmuddel beschert.
Siddharta sagte, wenn du einen Buddha siehst, töte ihn. Vielleicht ist das seine Anweisung, wie wir uns von der zivilisatorischen Ur-Identifikation mit dem "Falschen", unserer Persönlichkeit, befreien können, nämlich dann, wenn nur die Persönlichkeit überhaupt dazu fähig ist, Buddhas zu sehen.
Ich bin jedoch skeptisch, dass diese Konditionierung überhaupt zu überwinden ist, macht sie sich doch in fast jedem Moment des Lebens bemerkbar. Und selbst wenn sie überwindbar ist, wie soll man in dieser Welt ohne Maske existieren?
Die logischen Folgen der ehrlichen Selbsterkenntnis des Zivilisten sind Depressionen, Angst und Isolation, wenn er nicht schleunigst dekompensiert und eine neue Lüge aufbaut. Angesichts der Zustände, die uns die Zivilisation gebracht hat und täglich bringt, scheint mir ersteres jedoch die gesündere Antwort zu sein, als sich als kämpferischer Weltverbesserer oder spiritueller Schöngeist seine eigene Existenz gut zu reden. Aber natürlich bleibt man auch mit Angst und Depressionen „falsch“. Die Zivilisation ist TINA.
Grüsse Nonpopulo
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