Donnerstag, 18. August 2011

Wie funktionieren effiziente Machtstrukturen: Die Politik lernt vom Primat der Wirtschaft!

> > Herrscht Ackermann?
> Nein. Herrschen tut Merkel.
Doch! Er ist der Souverän dessen, was er als Unternehmenslenker zu verantworten hat. Es kann keine Verantwortung geben ohne die Macht, die Herrschaft über das zu Verantwortende zu haben.

> Die Machtausübung erfolgt dann nicht mehr herrschaftlich-direkt, d.h.
> z.B. per Befehlskette, sondern auf unterschiedlichsten Wegen,
Was meinst Du mit "nicht mehr herrschaftlich-direkt"? Die Vorstellung von Machtausübung in Form einer klassischen, zentralistischen, hierarchischen Pyramide (von oben nach unten) ist doch ohnehin ein typisches Zerrbild von Menschen, die von sehr weit außerhalb auf moderne Machtstrukturen blicken.
Du wirst heute kaum noch einen erfolgreichen Konzern finden, dessen innere Struktur auf einer klassischen Machtpyramide beruht.
Das wurde schon längst in die Tonne getreten, weil man bereits vor geraumer Zeit erkannte, dass derartige Strukturen allenfalls noch für die Militärs taugen. Wer hingegen als Marktteilnehmer am Ende nur mit Effizienz sein dauerhaftes Überleben sicherstellen kann, der muss andere Wege beschreiten. Und das geht so:
In einer klassischen Hierarchie bilden sich als Substrukturen stets kleine "Königreiche" aus. Dies hängt damit zusammen, dass eine hohe Führungsposition üblicherweise auch mit einer sehr hoch angesetzten Verantwortung verknüpft ist. Aber niemand wird jemals bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, ohne zugleich die volle Souveränität über die zu verantwortenden Inhalte zu erhalten (vgl. dazu Kapitän eines Flugzeuges oder Schiffes; an Bord ist nur er der Chef - und nicht etwa die Fluggesellschaft oder der Reeder). Macht ist in diesem Zusammenhang also kein bösartiger Selbstzweck, sondern die schiere Notwendigkeit, um überhaupt Verantwortung effektiv wahrnehmen zu können. Aber das ist ein eigentlich geradezu universelles, allgemein gültiges Grundprinzip von Führung und Verantwortung.

(Vielleicht auch interessant in diesem Zusammenhang: Die angebliche Hörigkeit von Führungspersonen gegenüber deren Chefs ist eine Chimäre aus dem Reich des "kleinen Mannes". Das genaue Gegenteil ist der Fall: Wer in einer Führungsposition "seinen" Kuchen nicht auch unerbittlich gegenüber den übergeordneten Hierarchen massiv verteidigt ("das liegt immer noch in MEINER Verantwortung, Herr Doktor Müller!"), der wird es nicht lange als Führungskraft machen. Hörige Führungskräfte kann kein Unternehmen gebrauchen - wäre der sichere Untergang. Harter Wettbewerb erfordert Dissens-getriebene Reibungshitze, und keine Harmonie-dominierte Nestwärme, oder Selbstbereicherungsseilschaften. Einzige Ausnahme davon: Unternehmen, die keinerlei Wettbewerb unterliegen. Die dürfen sich natürlich jeden beliebigen Schwachfug erlauben, auch Führungsstrukturen wie zu Großvaters Zeiten. Wenn ich groß bin, will ich auf jeden Fall mal in so einem Unternehmen arbeiten!)

Wenn nun also in einer Hierarchie die lästigen kleinen Königreiche anfangen, durch deren Souveränität (=Macht!) die Interessen des Gesamtgebildes zu behindern oder gar zu gefährden, dann gibt es da eine clevere Gegenmaßnahme, ganz ohne unmittelbare (direkte) Machteinwirkung: Man installiert einfach parallel zu den kleinen Königen einen weiteren König, der auf einer Augenhöhe, aber mit konträr ausgerichteter Verantwortung losmarschiert. Das nennt man horizontale Führungsstrukturen. Wird auch gerne kombiniert mit nicht-hierarchischen(!) vertikalen Strukturen. Sieht dann auch echt klasse aus im Orgasmi... äh Organisations-Diagramm und schafft maximale Reibungshitze.
Und schon ist es vorbei mit der Kleinstaaterei im Konzern - der Zwang der kleinen Herrscher, sich auf ihrer ureigenen Hierarchieebene irgendwie einigen zu müssen, weil sonst kein Dissens mehr aufzulösen ist, und dabei auch auf keine Hilfe "von Oben" hoffen zu können, weil "Oben" lapidar sagt: "Ist eure Verantwortung, und damit euer Problem!" bringt dem Unternehmen einen gewaltigen Schub nach vorne! Und dies, man muss es betonen, ganz ohne das Eingreifen nach dem klassischen Prinzip "Ober sticht Unter"! Und noch viel besser: Es braucht gar keine übergeordnete Instanz, um Zusatz-Könige zu installieren. Man kann sie sich auch ganz einfach selbst verordnen (im Zuge der Kompetenz- und Verantwortungserweiterung, würde man im Fachjargon dazu sagen).

Siehe dazu auch die Meldungen aus dem Umfeld der EU-Hybris (fett von mir):
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13549639/Die-nationale-Idee-hat-keinen-Platz-mehr-in-Europa.html
Diese politischen Aufgaben lassen sich nicht zentralistisch durch EU-Institutionen anpacken. Vielmehr ist dafür eine Zusammenarbeit notwendig, die sich in Form von vertraglich vereinbarten horizontalen wie vertikalen Netzwerken organisieren lässt. Dabei bringen die einzelnen Partner ihre rechtliche und fachliche Kompetenz ein, ohne auf rechtliche Zuständigkeiten zu verzichten. Damit bleibt der Grundsatz der Subsidiarität gewahrt und ein Regieren in Partnerschaft möglich.

Yo Baby! Kaum vergehen ein paar Jahrzehnte, schon lernt auch die große Politik vom Primat der Wirtschaft etwas dazu! Wenn die Einzel-Souveräne nicht wollen, wie sie sollen, dann kriegen die keinesfalls eine klare Ansage vor den Bug geknallt (wie sich dies die VT'ler gerne so phantasiereich ausmalen), sondern bekommen nur eine "horizontale, wie vertikale Struktur" verpasst.
Horizontal und vertikal - kommt mir doch irgendwie vertraut vor...-- 


 Viele Grüße
Lex



> Herrschen über
> Deutschland oder über alle Menschen oder sowas tut er allerdings nicht,
> zumindest nicht herrschen i.S.v. Befehl-Gehorsam-Prinzip.
Es gibt in einer Zivilgesellschaft kein Befehl-Gehorsam-Prinzip. Das bleibt auf den militärischen Bereich beschränkt. Somit gibt es auch keine Herrschaft im Sinne von Anordnungen oder Befehlen.

> Eine zwar notwendige aber noch nicht hinreichende Bedingung für
> Verantwortung. Denn wenn die Macht zwar vorliegt, aber außerhalb eines
> klaren Befehl/Gehorsam-Herrschaftsprinzips ausgeübt wird, dann kann es
> ebenfalls keine Verantwortung geben, weil außerhalb eines klaren
> Herrschaftsprinzips der Verantwortliche u.U. nicht mehr so leicht ausfindig
> zu machen ist.
Das habe ich leider nicht verstanden.
Ich kenne nur folgende Kriterien aus der Praxis:
1.) Verantwortung kann nur für etwas übernommen werden, was vom zu Verantwortenden auch kontrollierbar ist
2.) Wer sich in die Pflicht nehmen lässt, etwas zu verantworten, hat auch die Pflicht (aber auch das Recht!), die Entscheidungshoheit im Rahmen seiner Verantwortlichkeit ohne wenn und aber für sich einzufordern.
3.) Verantwortung muss klar und objektiv definiert und abgegrenzt sein; diffuse Graubereiche sind mit einer Verantwortlichkeit nicht vereinbar.

Zu Punkt 1.)
Ein Herr Grupp von Trigema sollte seinen Laden so weit überschauen können, dass er auch die Verantwortung an der Spitze realistisch übernehmen kann.
Ein Herr Ackermann hingegen hat das gleiche Problem, wie alle anderen Lenker von Großfirmen und Konzernen auch: Kontrolle ist größenbedingt nicht realistisch umsetzbar, womit eine propagierte Gesamtverantwortung in vielerlei Hinsicht zu einer reinen Show-Veranstaltung verkommt.
Punkte 2.) und 3.)
Haben sich in der Praxis als ausreichend valide erwiesen - auch für die Ackermänner dieser Welt!

Alles andere, was üblicherweise zum Thema Verantwortung gesagt und geschrieben wird, hat einen starken sozialen oder moralischen Bezug, ist somit nicht objektivierbar, und damit auch nicht zielführend zu diskutieren. Begriffe wie gesellschaftliche Verantwortung, moralische Verantwortung, etc. sind windelweich und nicht konkret greifbar. Gerne wird auch Verantwortung mit Schuld verwechselt.
Juristisch gibt es ohnehin nur die Rechenschaftspflicht im Bezug auf eine Aufgabendurchführung, eine Zielerreichung oder eine wahrgenommene Führungsaufgabe. Oder ist schon mal jemand wegen mangelnder moralischer Verantwortung belangt worden? Auf der Grundlage von welchem Gesetz?
Ein Streifzug durch's Netz zeigt deutlich, wie hilf- und planlos mit dem Begriff Verantwortung umgegangen wird.

> Verantwortung trägt Ackermann übrigens nicht gegenüber denjenigen, auf
> die er Macht ausübt, sondern ausschließlich gegenüber seinen
> Aktionären.
Unsinn! Diese Aussage gehört eindeutig in die Kategorie: "Gärender blubbernder Sumpf der dumpfen Volksmeinung, aus dem manchmal Blasen aufsteigen, die dann luftverpestend zerplatzen." ;-), wie Meph kürzlich so treffend schrieb.
Ansonsten guckst Du z.B. mal BGB § 618.

> Willst Du mich etwa foppen? Ich bitte Dich, tu dies nicht! Ich bin
> nämlich humorlos und leide wie ein Hund unter solcherart Foppungen.
Nein, ich will Dich weder foppen, noch wie einen Hund leiden lassen.
Du hast geschrieben: Sie [die Macht] wird jedoch auf etwas verschlungeneren Wegen ausgeübt.
Und das habe ich für mich übersetzt mit: Eine zentrale Machtstelle kann entweder direkt, oder indirekt Macht ausüben - bleibt aber eine zentrale Macht.
Die heute "gängige Machtpraxis" widerspricht aber dieser Vorstellung. Macht braucht Ziele, und zur effektiven Erreichung der Ziele bedarf es (Resourcen-bedingt) einer hohen Effizienz. Und da ich bei der klassischen Zentralsteuerungshypothese (das Lieblingskind der VT'ler) im Bezug auf Machtausübung keinerlei Vorzüge hinsichtlich der Effizienz/Effektivität erkennen kann, erscheint mir die Annahme, dass die Mächtigen der Welt bevorzugt zentralistisch (ob nun direkt oder indirekt) agieren sollen, schon allein deshalb als fragwürdig. Da müsste man ja schon mindestens ein Geschütz vom Kaliber der Ponerologie auffahren, um durch einen religiös-diabolischen Bezug, den sagenumwobenen Kampf von Gut gegen Böse als eigentliches Grundmotiv zu propagieren. Oder die berühmten Außerirdischen halt...

> Würde eher sagen: Diese politischen Aufgaben lassen sich bald überhaupt
> nicht mehr anpacken, weil die Politik einfach kaum noch Macht besitzt. Was
> zwischenstaatliche Verträge wert sind, wissen wir alle, jedenfalls nicht
> das Papier auf dem sie stehen; kein Wunder, ohne übergeordnete Instanz die
> über die Einhaltung der Verträge wacht; wie sollte das auch gehen, ist
> doch idiotisch. Und "ein Regieren in Partnerschaft" bleibt nicht möglich,
> sondern wird wie bisher fortschreitend verunmöglicht.
Also doch wieder eine übergeordnete Instanz, welche die Macht hat, jedem auf die Finger zu klopfen?
Macht es eigentlich Sinn, den Machtmissbrauch (bis hin zur VT) anzuprangern, aber sich gleichzeitig an der Vorstellung zu begeistern, dass mal eine übergeordnete Instanz her müsste, die endlich Schluss macht mit den diabolischen Machenschaften einer verkommenen Machtelite?

Und was würde dann wohl diese Instanz veranstalten, wenn sie sich plötzlich dessen bewusst werden würde, was es heisst, die stärkste Macht zu sein?

> Die große Politik wird sich beim Versuch, beim Primat der Wirtschaft
> irgendetwas abzukupfern, ganz übel lächerlich machen; klar.
Die Vorgehensweisen und Verhaltensmuster der Wirtschaft sind nichts weiter als die logische Konsequenz aus der Notwendigkeit, unter debitistischen Randbedingungen "den Laden am Laufen zu halten".
Für die Politik gilt die gleiche Problematik - warum also nicht
Anleihen dort nehmen, wo eine Methode (bislang) gut funktioniert?

> Danke übrigens für Deine ausführlichen Erläuterungen zu
> konzerninternen Machtstrukturen, die ich einfach mal so mitnehme.
Gern geschehen. Ist aber eigentlich nichts Konzern- oder Industrie-spezifisches. Hat mittlerweile jeder drittklasssige Unternehmensberater als "Lösung" im Rahmen von Umstrukturierungen in der Tasche - auch für Nichtunternehmen, wie z.B. staatliche Institutionen.;-)




Quelle: Lex Mercatoria
 

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